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Gut gerüstet für Forschung in Eiseskälte

27.03.2024, Autor: Wolfgang Heumer
Polarforschende müssen sich für ihre Arbeit im Eis und in den Ozeanen auf hochpräzise Messgeräte, Sonden und Sensoren verlassen. Für Entwicklung, Bau und Wartung dieser Technik verfügt das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven jetzt über ein eigenes Zentrum inklusive Tauchbecken und Teststand für Bohrgestänge.

Mit geübten Griffen löst Jan Rohde ein Dutzend Schrauben von einem Gerät, das einer Rakete ähnelt. IceBird steht auf dem Rumpf, daneben verweist das Logo AWI auf das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven als Eigentümer. Im Werkstattraum auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges beschäftigen sich Ulrich Hoge und Michael Busack mit einem ähnlich aussehenden Gerät: PAUL 3000 ist ein torpedo-förmiges Autonomes Unterwasser Vehikel (AUV). Die beiden haben den Elektromotor eingebaut. Jetzt wenden sie sich Jan Rohde zu, der am IceBird die Elektronik freigelegt hat.

Busack, Hoge und Rohde sind Ingenieure für Elektrotechnik im neuen Technikzentrum des AWI. Rohde arbeitet für den Bereich Meereisphysik, dessen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum Beispiel mit der Flugsonde IceBird regelmäßig die Eisbedeckung des Arktischen Ozeans vermessen. Hoge und Busack unterstützen die Tiefseeforschenden, die unter dem Eis Daten etwa zu Temperaturen, Salzgehalt und organischen Schwebstoffen sammeln. „Bislang konnten wir uns nur bei offiziell anberaumten Meetings oder bei gemeinsamen Expeditionen auf dem Forschungseisbrecher Polarstern austauschen“, sagt Hoge.

18 Millionen Euro investiert

In der mehr als 40-jährigen AWI-Geschichte waren die Techniker jeweils in der Nähe ihres jeweiligen Wissenschaftsbereiches untergebracht. Mit dem Rasmus-Willumsen-Haus in Bremerhaven verfügen die Spezialistinnen und Spezialisten über ein eigenes Zentrum, in dem sie Seite an Seite arbeiten. Nicht zuletzt die Möglichkeit zum spontanen Austausch wie zwischen Rohde, Hoge und Busack war die Investition von 18 Millionen Euro in das AWI-Technikum wert. „Die Planer des Hauses haben uns wirklich verstanden“, zollt die Leiterin des Technikums, die Meeresbiologin und Wissenschaftskoordinatorin Martina Löbl, den Gestaltern des Kölner Architekturbüros Kister Scheithauer Gross (ksg) Respekt.
 
Präzise Daten für das Verständnis des Erdklimas

Die Polar- und Meeresforschung ist ohne hochtechnisierte Geräte nicht mehr denkbar. „Zum einen bewegen wir uns mit den Eisregionen der Erde und den Tiefen der Ozeane in Gebieten, in denen sich Menschen – wenn überhaupt – nur mit erheblichem technischen Aufwand aufhalten können“, betont Martina Löbl. Zum anderen werden an die Arbeit hohe Anforderungen gestellt. Das AWI gehört zu den weltweit führenden Forschungsinstituten, die die Grundlagen für das Verständnis des Erdklimas schaffen. „Dafür sind präzise Daten notwendig, die wir schon lange nicht mehr ohne technische Hilfe in der notwendigen Zuverlässigkeit und in dem erforderlichen Umfang erfassen könnten“, ist Löbl überzeugt.

Technik und Wissenschaft arbeiten Hand in Hand

Das AWI unterhält Forschungsstationen in der Antarktis und auf Spitzbergen. Flaggschiff des Instituts ist der Eisbrecher Polarstern. Der deutsche Pionier der Polarforschung und Namensgebers des Alfred-Wegener-Instituts hatte während seiner vier Grönland-Expeditionen zwischen 1906 und 1930 noch mit extremen Widrigkeiten zu kämpfen. Die heutige Technik erleichtert die Arbeit erheblich – zum Beispiel, wenn die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf Fernerkundungssysteme vertrauen können, wo Wegener sich noch unter Lebensgefahr einen Weg durchs Eis bahnen musste. „Diese Gefahr ist heute durch den technischen Fortschritt sehr viel kleiner“, erläutert Busack. Jedoch seien die Anforderungen etwa an die Messdauer, Genauigkeit und Verlässlichkeit der Geräte sehr viel höher. Um dem gerecht zu werden, arbeiten Wissenschaft und Technik eng zusammen. „Die Wissenschaftler formulieren, welche Daten sie erfassen und was sie erkunden wollen – wir entwickeln die technische Lösung dafür“, fasst Jan Hecht zusammen. Der Wirtschaftsingenieur verantwortet an der Seite von Martina Löbl die technischen Aspekte im Rasmus-Willumsen-Haus.

Zehn Jahre an Konzept und Bau gearbeitet

Zehn Jahre lang arbeitete ein Team aus den Bereichen Ingenieurwesen, Wissenschaft und Architektur am Konzept für den Neubau. Im Erdgeschoss sind jene der insgesamt 16 Werkstätten untergebracht, in denen schwere und sperrige Instrumente und Systeme gebaut, gewartet oder repariert werden. Im Stockwerk darüber befinden sich Bereiche wie die Metall- und die Elektronikwerkstatt sowie die Tischlerei, wo kleinere Gegenstände bearbeitet werden.

Logistikhalle ersetzt Außenarbeit bei Wind und Wetter

Das AWI gehört mit fast 1.400 Beschäftigten und einem Jahresetat von rund 143 Millionen Euro zu den großen Forschungsinstituten: Polar- und Meeresforschung ist extrem aufwendig. Wie groß der Aufwand ist, wird in einer Halle des Technikzentrums deutlich, die sich über alle drei Geschosse erstreckt. Ein gelber Portalkran mit 20 Tonnen Tragkraft sticht als erstes ins Auge. „Mit seiner Hilfe können wir auch die schweren 20-Fuß-Container bewegen, in denen wir die Expeditionsausrüstung sowohl für die Polarstern als auch für die Stationen im Eis verpacken“, erläutert Hecht. Bis zu 40 dieser Standardcontainer nimmt die Polarstern auf jede ihrer Reisen mit: „Bislang mussten wir die draußen bei Wind und Wetter packen, jetzt ist das doch deutlich angenehmer.“
 
Eine weitere Besonderheit ist ein 18 Meter hoher Raum, der wie ein Bohrturm ausgestattet ist. Dort wird das Gerät erprobt, mit dem das AWI bei Eiskern-Bohrungen viele 100.000 Jahre tief in die Klimageschichte der Erde eintauchen kann. „Früher konnten wir die Bohrköpfe und das Gestänge nur anhand einzelner Abschnitte prüfen, jetzt können wir einen ganzen Strang in voller Funktion erproben“, betont Hecht. Auch das benachbarte fünf Meter tiefe Tauchbecken zum Testen von Unterwasserfahrzeugen bedeutet eine Verbesserung: „Bislang mussten wir für Testkampagnen extra nach Helgoland fahren, das geht jetzt einfacher, kostengünstiger und besser“, unterstreicht Hecht.
 
„Man hat hier die Freiheit, Dinge auszuprobieren“

Solche Tests sind unverzichtbar, da die meisten Geräte speziell entwickelt wurden. „Wo immer es möglich ist, verwenden wir zwar Serienbauteile, aber das Ganze ist dann doch ein Prototyp“, betont Ulrich Hoge. Für ihn steckt darin der eigentliche Reiz der Arbeit: „Man hat hier die Freiheit, Dinge auszuprobieren und eine Lösung zu entwickeln, die es bisher nicht gegeben hat“, sagt Hoge. Dabei ist Geduld gefragt. „Die Entwicklung und der Bau eines Instrumentes dauert unter Umständen mehrere Jahre.“

„Wir versuchen alles Denkbare, um einen Weg zu finden“

Auf der Polarstern zeigt sich dann der Erfolg: „Wenn das von uns entwickelte Instrument doch nicht funktioniert, war die wissenschaftliche Arbeit von mehreren Jahren unter Umständen vergebens“, sagt Jan Rohde. Aber die AWI-Ingenieurinnen und Ingenieure, die zumeist die Expeditionen begleiten, geben in solchen Situationen nicht auf: „Wir versuchen dann alles Denkbare, um noch einen Weg zu finden“, versichert Ulrich Hoge.
 
Eine zusätzliche Motivation gibt dem Team der Name ihres neuen Domizils. Der Grönländer Rasmus Willumsen war der letzte Begleiter Alfred Wegeners auf dessen Grönland-Expedition, die tragischerweise für beide im November 1930 mit dem Tod endete. Das Technikum nach ihm zu benennen, hat für das AWI eine klare Begründung: „Rasmus Willumsen steht beispielhaft für alle unterstützenden Kräfte, die zum Erfolg von vergangenen und zukünftigen Expeditionen beitragen.“

Pressekontakt:

Roland Koch, Kommunikation und Medien Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), Tel.: +49 471 4831 2006, E-Mail: medien@awi.de
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1:  Ingenieur Jan Rohde mit der Flugsonde IceBird. ©WFB/Björn Hake
Foto 2: Jan Rohde (links) und Ulrich Hoge mit PAUL 3000. ©WFB/Björn Hake
Foto 3: Martina Löbl und Jan Hecht am Tauchbecken. ©WFB/Björn Hake
Foto 4: Das neue Technikzentrum des AWI. ©WFB/Björn Hake
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Der Pressedienst aus dem Bundesland Bremen berichtet bereits seit Juli 2008 monatlich über Menschen und Geschichten aus dem Bundesland Bremen mit überregionaler Relevanz herausgegeben von der WFB Wirtschaftsförderung Bremen GmbH. Bei den Artikeln handelt es sich nicht um Werbe- oder PR-Texte, sondern um Autorenstücke, die von Journalisten für Journalisten geschrieben werden. Es ist erwünscht, dass Journalistinnen und Journalisten den Text komplett, in Auszügen oder Zitate daraus übernehmen.

Bei Fragen schreiben Sie einfach eine E-Mail an pressedienst@wfb-bremen.de.

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