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Wo einst Elvis deutschen Boden betrat: Columbusbahnhof wird neues Leben eingehaucht

Elvis betrat hier deutschen Boden. Queen Elisabeth II. wäre beim Landgang fast zu Fall gekommen. Tausende vergossen im Columbusbahnhof Bremerhaven Freuden- oder Abschiedstränen. Die große Zeit der 1962 eröffneten Fahrgastanlage ist wegen des einsetzenden Flugverkehrs jedoch nur kurz. Ein Architekturbüro will das geschichtsträchtige Gebäude nun aus seinem Dornröschenschlaf wecken.

27.05.2025
Autor: Wolfgang Heumer

Außer den eigenen Schritten ist in den riesigen Hallen kaum etwas zu hören. Vielleicht brummt vor der Fensterfront der Dieselmotor eines vorbeifahrenden Frachtschiffes. Oder es kreischen Möwen über dem benachbarten Hafen. Trotzdem bleibt beim Rundgang durch das 160 Meter lange Gebäude das Gefühl, hinter der nächsten Tür die Stimmen vieler hundert Menschen zu hören, die gleich an Bord ihres Schiffes gen Amerika gehen. Bis zu 8.000 Menschen konnten sich hier einst aufhalten, wenn die Linienschiffe von und nach Übersee abgefertigt wurden.

Originalwerbetafeln, Mobiliar, Lampen und eine Restaurantküche im Stil der 1960er-Jahre: All dies befindet sich noch immer im Columbusbahnhof im Bremerhavener Überseehafen. Dabei ist die zwischen 1958 und 1962 gebaute Fahrgastanlage seit mehr als 30 Jahren außer Betrieb.

Columbusbahnhof soll saniert und erweitert werden

Längst sollte das sanierungsbedürftige Gebäude abgerissen werden, um Platz zu machen für einen modernen Neubau. Doch dann gab es ein Umdenken: Der Columbusbahnhof soll nun doch saniert und erweitert werden. „Der Erhalt ist nicht nur technisch machbar, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll und überzeugt zudem durch seine Zukunftsfähigkeit“, begründet Robert Howe, Chef der Hafenmanagement-Gesellschaft bremenports

Im Hamburger Architekturbüro „Von Gerkan, Marg und Partner“ (gmp) sitzt Jan Blasko mit seinem Team seither daran, diesem Gedanken in einen umsetzbaren Plan zu kleiden. „Es wäre Sünde gewesen, diesen Ort wie ursprünglich geplant abzureißen“, unterstreicht Jan Blasko. Geschichtsträchtige Räume wie der Erste-Klasse-Wartebereich und die Wartehalle sollen erhalten bleiben.

Vom Passagierterminal zur legendären Party-Location

Der Name Columbusbahnhof löst in Bremerhaven bis heute nostalgische Gefühle aus. Ältere kennen die Fahrgastanlage noch aus eigenem Erleben, als hier die großen Passagierschiffe an- und ablegten. Schiffsnamen wie „Bremen“ und „Europa“ – die beiden Linienschiffe des Norddeutschen Lloyds – oder „United States“ werden mit Ehrfurcht ausgesprochen. Mittlere Jahrgänge unter den Bremerhavenern erinnert der gigantische Gebäudekomplex eher an rauschende Feste: Zwischen 1972 und dem Ende der 1990er-Jahre wurden in den großen Wartesälen der 1. und 2. Klasse legendäre Partys mit mehr als 3.000 Gästen gefeiert. „Fast jeder aus der Ü-50-Generation erinnert sich außerdem an sonntägliche Ausflüge auf die Besuchergalerie oder in das Restaurant des Columbusbahnhofs“, ist Howe überzeugt.

Bereits im 19. Jahrhundert war der Kai Ausgangspunkt und Ende von Schiffsreisen über den Atlantik. Hunderttausende von Auswandererinnen und Auswanderern verließen an der „Kaje der Tränen“ ihre Heimat. Je größer die Migrantenströme wurden, desto größer wurden die Abfertigungsanlage, deren Name an das einstige Flaggschiff „Columbus“ des Norddeutschen Lloyds erinnert. Der Zusatz Bahnhof hatte seine Begründung: Bis 1993 war der Passagierterminal direkt an das deutsche Schienennetz angeschlossen. Nachdem der ursprüngliche Columbusbahnhof im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, gab es zunächst ein Provisorium, das durch den Bau der heutigen Fahrgastanlage ersetzt wurde.

Bejubelte Begegnungen mit Elvis und Königin Elizabeth II.

Nicht nur die Grundsteinlegung für dieses Projekt gab damals Grund zum Jubeln: Am 1. Oktober 1958 betrat Elvis Presley dort erstmals deutschen Boden. So wie der US-amerikanische Sänger den Beginn einer neuen Zeit verkörperte, galt das Bauvorhaben als Symbol für den Aufschwung in Bremerhaven, zu dem die Passagierschifffahrt wesentlich beitragen sollte. „Die Dimensionen lassen bis heute ahnen, mit welchen Erwartungen der Columbusbahnhof verbunden war“, sagt Matthias Koch, der sich bei bremenports intensiv mit der Geschichte des Gebäudes auseinandergesetzt hat.

Doch bereits Mitte der 1960er-Jahre begann das Zeitalter der Verkehrsflugzeuge, die die Reise von Deutschland nach New York von einigen Tagen auf wenige Stunden verkürzten. Die einst sechsstelligen Fahrgastzahlen pro Jahr gingen kontinuierlich zurück. Nach 167 Anläufen seit 1951 kam der Ozeanliner  „United States“ 1969 ein letztes Mal nach Bremerhaven. Zwei Jahre später endeten auch die Fahrten der „Bremen“ und der „Europa“.

Eine der letzten bedeutsamen Schiffsankünfte wäre am 26. Mai 1978 beinahe schiefgegangen. Als Großbritanniens Königin Elizabeth II. mit ihrer Yacht „Britannia“ zum Staatsbesuch in Bremen vor dem Columbusbahnhof anlegte, regnete es in Strömen. Die Monarchin schritt die steile Gangway hinab, die als Folge der Witterung ziemlich glatt war. Die Queen kam kurz ins Rutschen, hielt sich aber tapfer auf den Beinen.

Neubeginn mit Kreuzfahrt als Ersatz für Liniendienste

Ein Teil des Columbusbahnhofs lebte erst wieder auf, als bremenports das Kreuzfahrtgeschäft als Ersatz für den alten Schiffslinienverkehr vorantrieb. Der Columbusbahnhof war in den 1990er-Jahren zeitweise der größte deutsche Ausgangshafen für Seereisen. 2001 ließ das Land Bremen deshalb das nördliche Ende der alten Fahrgastanlage zum modernen Columbus Cruise Center Bremerhaven umbauen. Knapp 300.000 Passagiere zählte das Terminal im Jahr 2024.

Der Südteil verfiel dagegen in einen Dornröschenschlaf. Rückblickend war das ein Glücksfall, sagen die Beteiligten. Historische Schätze von der Freitreppe im Eingangsbereich über die Rolltreppenanlage und den zentralen Informationsschalter im ersten Obergeschoss bis zu Werbetafeln längst vergessener Reedereien haben die Zeit nahezu unbeschadet überstanden. „Selbst die Kühlschränke in der ehemaligen Restaurantküche funktionieren noch“, berichtet Matthias Koch von bremenports.

Aus massivem Holz gefräste Handläufe, die für ein Restaurant entworfenen Deckenleuchten, die strenge Ordnung der tragenden Beton-Skelettstruktur des Gebäudes und aufwändige Wandvertäfelungen sprechen eine klare Formsprache, in der Symmetrie eine zentrale Rolle spielt. Es ist aber nicht nur die Gestaltung der Anlage, die Jan Blasko zu seinem Beitrag für die Ausschreibung zur Zukunft des Columbusbahnhofs veranlasste. Nach eingehender Beschäftigung mit dem Gebäude und seiner Substanz gingen Blasko und sein Team auf Distanz zu dem geplanten Abriss und Neubau: „Das Gebäude zu erhalten, empfiehlt sich auch unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit“, betont Blasko. Die gute Substanz weiter zu nutzen, sei energetisch sinnvoll und biete zugleich die Chance, „all das zu erhalten, was den Charme und die besondere Bedeutung des Columbusbahnhofs ausmacht“.

„Der Columbusbahnhof hat sich seine Identität bewahrt“

Jan Blasko ist überzeugt, dass sich die prägenden Elemente wie zum Beispiel die Wartesäle, das Restaurant und die Freitreppen erhalten lassen. Noch steht nicht fest, wie das Gebäude nach der Sanierung genutzt werden soll: multifunktionale Veranstaltungsräume, Gastronomiebetriebe, Büros, ein Hotel – der Architekt hält vieles für machbar. „Das richtige Konzept zu finden, wird sicherlich nicht ganz einfach sein, aber wir werden es schaffen“, ist er überzeugt.

Das Büro gmp hat bereits weltweit mit außergewöhnlichen Projekten auf sich aufmerksam gemacht. Blasko sieht im Bremerhavener Columbusbahnhof das Potenzial, ähnlich außergewöhnlich zu werden, denn das Gebäude erfüllt eine wichtige Voraussetzung: „Es hat sich seine Identität bewahrt.“ Darin liegt für ihn der Reiz, die Fahrgastanlage aus ihrem Dornröschenschlaf zu wecken: „Es ist einfach spannend, Orte mit Geschichte zu gestalten.“

Bildmaterial

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Pressekontakt:

Matthias Koch, Pressesprecher bremenports, Tel.: +49 471 30901-103, E-Mail: matthias.koch@bremenports.de

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