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Wasserscheue Windmühlenflügel

Regen, Sturm, Salz, UV-Strahlen: Rotorblätter von Offshore-Windenergieanlagen altern schnell. Das reduziert die Leistungsfähigkeit. Forschende der Fraunhofer-Institute in Bremerhaven und Bremen entwickeln zusammen mit Industriepartnern daher widerstandsfähige Beschichtungen und möglichst einfach zu handhabende Reparatursysteme.

23.04.2025
Autor: Wolfgang Heumer

Im Labor des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES in Bremerhaven geht es rund zu. Wie an einem Roter eines Helikopters drehen sich in einem Prüfstand mit hoher Geschwindigkeit drei Profile im Kreis, die den Blattspitzen von Windenergieanlagen nachempfunden sind. Aus einer Beregnungsanlage fallen Wassertropfen auf die Proben. Sara Ghiasvand simuliert so Regen. „Die Wassertropfen belasten den Lack und erodieren die Beschichtung der Blätter, insbesondere im Bereich der Blattspitzen“, erläutert die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Rotorblätter am Fraunhofer IWES. Auf die Dauer hinterlässt dies deutliche Spuren auf der Oberfläche – schließlich bewegen sich die Blattspitzen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometern pro Stunde. Entsprechend hoch sind die beim Aufprall der Tropfen wirkenden Kräfte. 
 
Winzige Schäden mit teuren Folgen
 
Mit praxisnahen Versuchen erforscht Sara Ghiasvand seit gut einem Jahr die Auswirkungen von Regen und anderen Umwelteinflüssen auf Rotorblätter von Offshore-Windenergieanlagen. Ihre Arbeit ist Teil eines Großprojekts unter Führung des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen. „Solche scheinbar winzigen Schäden können erhebliche und sehr teure Auswirkungen auf die Stromerzeugung auf hoher See haben“, sagt Projektleiter Sascha Buchbach. „Deswegen entwickeln wir gemeinsam mit einer Reihe von Partnern aus der Industrie Schutzsysteme für die Vorderkanten der Rotorblätter sowie Materialien und Verfahren für eine möglichst einfache Reparatur solcher Schäden.“ 
 
Aerodynamik verändert sich
 
Windparks in Nord- und Ostsee zählen zu den tragenden Säulen der Energiewende in Deutschland und einer klimafreundlichen Energieversorgung Europas. Die Rahmenbedingungen auf hoher See stellen jedoch große Herausforderungen an den Betrieb, die Wartung und die Reparatur der Anlagen. „Umwelteinflüsse wie Regen, UV-Strahlung, der Wechsel von Wärme und Kälte führen zu einer Erosion der Blattoberflächen“, erläutert Buchbach. Betroffen sind insbesondere die Vorderkanten im Bereich der Blattspitzen. Die Oberflächen werden aufgeraut, dadurch verändert sich die Aerodynamik und ihr Wirkungsgrad. 
„Bei schwerer Erosion kann sich der Ertragsverlust schnell auf mehr als 10.000 Euro pro Jahr für größere Anlagen summieren“, sagt Buchbach. Auf die Dauer können sogar so schwere strukturelle Schäden entstehen, dass es zum Stillstand der Anlagen kommt.
 
Reparaturen auf hoher See „praktisch unmöglich“
 
Die Reparatur der erodierten Stellen ist jedoch teuer und alles andere als einfach. Eine Offshore-Anlage abzuschalten und die beschädigte Blattoberfläche instand setzen zu lassen, könne schnell 20.000 Euro pro Tag kosten, sagt Buchbach. Eine Reparatur der erodierten Stellen müsste von Fachleuten unter definierten Rahmenbedingungen wie Temperatur, Feuchtigkeit und Aushärtezeiten vorgenommen werden. 
 
Schon bei Anlagen an Land wäre das eine Herausforderung: „Auf hoher See ist das aber praktisch unmöglich“, betont Buchbach. In den schwindelerregenden Höhen der Offshore-Anlage kommt nur der Einsatz von eigens ausgebildeten Industrie-Kletterern infrage, die naheliegenderweise aber keine Fachleute für Beschichtungen oder Laminate sind. „Im Rahmen unserer Projekte entwickeln wir Materialien und Verfahren, die unter diesen Rahmenbedingungen ohne Spezialkenntnisse aufgebracht werden können und zu einem dauerhaften und guten Ergebnis sowie reduzierten Stillstandszeiten führen“, so Buchbach.
 
Verschiedene Lösungsansätze in der ersten Projektphase entwickelt
 
Für das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit 2,6 Millionen Euro geförderte Verbundprojekt für Material- und Reparaturinnovationen für Offshore Leading Edge Protection Systeme (MARiLEP) haben das Fraunhofer IFAM und das Fraunhofer IWES Partner aus der Industrie gewonnen. Dazu gehören unter anderem Unternehmen, die Lacke und Folien herstellen, Erfahrung in der Oberflächenbeschichtung haben oder Experten für Schutzsysteme aus Metall sind. Außerdem ist ein namhaftes Energieunternehmen mit von der Partie, das seine Erfahrungen aus dem Betrieb von Offshore-Windparks beisteuern kann. 
 
Nach der ersten Projektphase haben sich bereits verschiedene Lösungsansätze herauskristallisiert. „Wir arbeiten an Anti-Erosionslacken sowie an Lacken, die sich selbst heilen können, wenn die Oberfläche beschädigt wurde“, nennt Buchbach als Beispiel. Auf der weiteren Agenda des Forschungsprojektes stehen Materialien und Verfahren für die schnelle, aber dauerhafte Reparatur sowie Wartungskonzepte für Offshore-Anlagen.
 
Im Fraunhofer IWES hat Sara Ghiasvand die Grundlagenarbeit für die nächsten Schritte geleistet. Auf dem Prüfstand hat sie die „Blattspitzen“ in verkürzter Zeit Umweltbelastungen ausgesetzt, die einem ganzen „Rotorblattleben“ entsprechen. Die Ergebnisse ihrer Analysen zeigen in 3D-Scans, wie sich die Schäden an den Blattspitzen entwickeln und ohne Wartung oder Reparatur immer tiefer in die Oberfläche des Blattes vordringen. Mit dem Abschluss der Basisforschung ist die Arbeit an MARiLEP für Sara Ghiasvand längst nicht beendet. In den nächsten Schritten untersucht sie, ob die entwickelten Lösungsansätze das halten, was sie versprechen: „Jetzt kommt der eigentliche spannende Teil“, sagt sie.
 
Pressekontakt:
 
Martina Ohle, Pressereferentin Fraunhofer IFAM, Tel.:  +49 421 2246256, E-Mail: martina.ohle@ifam.fraunhofer.de
 
Bildmaterial:    
Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck. 
  
Foto 1:  Sascha Buchbach (links), Stefan Krause und Cate Lester begutachten einen Prüfkörper. ©WFB/Lehmkühler 
Foto 2:  Durch Regen verursachte Beschädigungen eines Rotorblattes. ©WFB/Jens Lehmkühler 
Foto 3:  Sara Ghiasvand ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fraunhofer IWES. ©Björn/Hake
 
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