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Praxisnahe Berufsorientierung: Das NSWW hilft beim Schritt von der Schule in die Arbeitswelt

Mit kreativen Projekten zeigt ein Zusammenschluss aus über hundert Unternehmen und Institutionen aus der Region Unterweser berufliche Perspektiven für junge Menschen auf. Und das ist längst nicht alles.

16.10.2025
Autor: Kristina Müller

Das Ausbildungsjahr hat begonnen, doch nicht alle zur Verfügung stehenden Plätze in Bremerhaven und der Region Unterweser konnten besetzt werden. Das liegt unter anderem daran, dass Schülerinnen und Schülern oft das Wissen über Ausbildungsberufe und -betriebe fehlt, aber auch über die eigenen Wünsche, weiß Matthias Frischer. Der 48-Jährige ist Berufscoach und Leiter des Projektes „Talentpool“ des Netzwerks Schule, Wirtschaft und Wissenschaft für die Region Unterweser e.V. (NSWW). Das Projekt soll junge Menschen und Unternehmen zielgerichtet zusammenzubringen.  

Mindestens einmal im Jahr haben Schülerinnen und Schüler aus Abschlussklassen der Region beim Talentpool die Möglichkeit, in dem viertägigen Programm Ausbildungsbetriebe zu besuchen und kennenzulernen. Zuvor haben sie in Theorie-Workshops gemeinsam mit dem Coach ihre beruflichen Ziele herausgearbeitet. Für die Dauer des Talentpools werden sie vom Unterricht freigestellt. 2025 hat das Projekt bereits in Cuxhaven stattgefunden, Anfang Oktober folgte eine weitere Runde mit jungen Menschen aus Bremerhaven. 

„Die meisten haben genug Ideen, aber die Entscheidung fällt oft schwer“, weiß Matthias Frischer. Der Talentpool helfe dabei, aus Stärken und Vorlieben konkrete Berufswünsche zu machen, aber auch Möglichkeiten aufzuzeigen, die den jungen Menschen bisher nicht bekannt waren. „Es gibt da draußen schließlich hunderte von Ausbildungsberufen und tausende von Studiengängen“, sagt Frischer. Er selbst hat internationale Wirtschaft studiert und arbeite seit 17 Jahren als Bildungsreferent und Coach.  

Talentpool bringt junge Menschen und Betriebe zusammen

Nicht nur für die zukünftigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bringt das Projekt viele Vorteile mit sich. „Wir haben unglaublich gute Erfahrungen damit gemacht“, berichtet die stellvertretende Direktorin des Atlantic Hotel Sail City, Anja Wagner. „Wir haben aus diesen Runden immer Bewerbungen für Praktika, Schülerjobs und Ausbildungsplätze erhalten.“

Insgesamt gut 15 Azubis aus drei Lehrjahren absolvieren in dem Hotel aktuell ihre Ausbildung im Hotelfach oder in der Gastronomie. Da dies eine fordernde Zeit sei, schätzt Wagner die Möglichkeit, über den Talentpool Nachwuchskräfte für einen Beruf in der Hotellerie interessieren zu können – und vielleicht sogar zu begeistern. 

„Wir finden die Idee gut, Berufsorientierung ins Hotel zu holen. Wir wollen unsere Türen aufmachen“, schildert Touristikerin Wagner. Sind die jungen Interessierten dann vor Ort, gibt es eine Begrüßung durch die Hoteldirektion und eine Führung durchs Haus. Auch praktische Situationen und Handgriffe erleben die Besucher – etwa Cocktails mixen oder das Eindecken eines Tisches. „Sie lernen uns kennen, wir bauen Barrieren ab und stellend das vor, was wir gut können: mit Menschen umgehen“, erzählt die stellvertretende Hoteldirektorin. 

Dazu kommen Interviewsituationen, in denen die Schülerinnen und Schüler ihre Fragen stellen können, die aber auch auf Bewerbungsgespräche vorbereiten. Seit der Corona-Pandemie sei Training von persönlichen, nicht digital stattfindenden Gesprächen noch wichtiger geworden, so Wagner – besonders in der Gastgeberbranche. 

Die meist 16- bis 18-Jährigen können ihre Fragen auf Augenhöhe stellen, vor allem den Auszubildenden des Hotels, ganz ohne Chefs, die hemmen könnten. Diesen praktischen Austausch findet auch Berufscoach Matthias Frischer besonders wertvoll: „Wer könnte schließlich besser für einen Beruf begeistern als jemand, der ihn ausübt und verkörpert?“

Regionales Netzwerk fördert den branchenübergreifenden Dialog 

Seit 2013 ist das Hotel eines von aktuell gut 130 Mitgliedern im Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft. Darunter sind kleine und große Unternehmen, Schulen, Hochschulen, wissenschaftliche und öffentliche Einrichtungen, aber auch Privatpersonen. 2009 wurde es mit dem Ziel ins Leben gerufen, jungen Menschen in der Region berufliche Perspektiven zu bieten. „Es geht aber auch darum, verschiedene Branchen miteinander in den Dialog zu bringen“, erläutert Horst Lüdtke. Der Bremerhavener hat das Netzwerk mitgegründet, war lange als zweiter Vorsitzender tätig und ist seit 2014 Geschäftsführer.

Den Austausch im Netzwerk über die Grenzen der Hotellerie und Gastronomie hinweg schätzt Touristikerin Anja Wagner neben den Berufsorientierungsprojekten sehr. Azubis und Fachkräfte an die Region zu binden, betreffe schließlich viele hiesige Unternehmen. „Im Netzwerk geht es nicht um Stadt- und Bundeslandgrenzen, sondern um die Region“, erläutert Wagner. „Das hat uns von Anfang an angesprochen“. Es würde für das Atlantic Hotel Sail City beispielsweise nicht funktionieren, nur aus Bremerhaven zu rekrutieren. Viele Teammitglieder pendeln aus dem Umland zu ihrem Arbeitsplatz. 

Planspiele, Bildungsbuddies und ein Referentenpool helfen bei der Berufsorientierung

Fand der persönliche Austausch anfangs noch überwiegend auf der jährlichen Mitgliederversammlung statt, gibt es mittlerweile zusätzlich Stammtische. Der Bedarf ist da: Aktuelle Themen werden besprochen, Projekte vorgestellt, Kontakte ausgetauscht. „Dort bringen wir auch Themen ein, die alle Betriebe betreffen – beispielsweise, wenn wir von Schülern hören, dass sie Probleme haben, Praktikumsplätze zu finden“, erzählt Anja Wagner. Für sie ist das Bereitstellen dieser Plätze Teil des Recruiting-Prozesses: „Wenn wir die jungen Menschen erreichen wollen, müssen wir schon in der Schule präsent sein.“ 

Neben dem Talentpool bietet das Netzwerk in Zusammenarbeit mit Schulen und Unternehmen der Region weitere Projekte für junge Menschen an. Etwa die Berufsorientierungstage, Wirtschaftsplanspiele, das Mädchen-Mutmach-Programm „mint:pink“ oder die „Bildungsbuddies“ der Hochschule Bremerhaven. Darüber hinaus wurde ein Referentenpool der Mitgliedsunternehmen eingerichtet: Fachleute aus der Berufswelt kommen in die Schulen, um Jugendlichen ihre Arbeit vorzustellen. Außerdem herrscht bei Bedarf an Räumlichkeiten für Veranstaltungen reger Austausch im Netzwerk.

Kooperation auf dem kurzen Dienstweg

Der Kontakt ist direkt und nicht auf Stammtische und Mitgliederversammlungen begrenzt. „Ein Anruf von Horst Lüdtke genügt – und wir finden eine Lösung, wenn es wieder eine Herausforderung gibt oder einen neuen Kontakt, der sich melden möchte“, sagt Anja Wagner. 

Für Horst Lüdtke ist sein Beruf Berufung. Eines Tages loszulassen wird ihm schwerfallen. Dem umtriebigen 79-Jährigen ist wichtig, dass junge Menschen schon in der Schule Wirtschaftsthemen lernen. Das NSWW fördert dies daher gezielt und findet mit seiner Struktur und den Projekten deutschlandweit Beachtung. Auch ausgezeichnet wurde es bereits. Bis auf zwei hauptamtliche Mitarbeiter engagieren sich alle ehrenamtlich, darunter neben Unternehmensvertreterinnen und -vertretern viele Lehrkräfte. Aktueller erster Vorsitzender ist der Bremerhavener Claus Brüggemann. 

Ihnen allen sei besonders wichtig, so Horst Lüdtke, dass „alle an einem Strang ziehen – Wirtschaft, Wissenschaft und Schule. Und zwar im Interesse der Menschen der Region.“

Bildmaterial

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Zu Horst Lüdtke:

Horst Lüdtke hat 2009 das Netzwerk Schule, Wirtschaft und Wissenschaft für die Region Unterweser e.V. (NSWW) mitgegründet. Der Bremerhavener war bis 2011 Leiter der Handwerkskammer Bremen, Außenstelle Bremerhaven.

Zu Anja Wagner:

Anja Wagner ist studierte Touristikerin und hat nach vielen Stationen im Ausland ihre berufliche Heimat in Bremerhaven gefunden. Seit 17 Jahren arbeitet die 45-Jährige im Atlantic Hotel Sail City, seit 2014 ist sie stellvertretende Hoteldirektorin.

Zu Matthias Frischer:

Beim Talentpool des NSWW gehen Schülerinnen und Schüler ihren Berufswünschen auf den Grund. Unter anderem erstellen sie eine Mindmap mit Tätigkeiten, die ihnen Spaß machen.

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