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Nachhaltige Garnelen dank Künstlicher Intelligenz

Garnelen sind ein beliebtes Produkt in deutschen Supermärkten. Doch die meisten stammen aus Zuchtanlagen in Asien ohne Haltungsangaben. Forschende am Alfred-Wegener-Institut arbeiten daran, mithilfe von KI die Garnelenzucht tierfreundlicher und zugleich wirtschaftlicher zu gestalten. So könnte die Zucht auch in der EU interessanter werden.

18.12.2025
Autor: Insa Lohmann

Seelachs, Thunfisch, Hering: Fisch und Meeresfrüchte gehören für viele Menschen fest zum Speiseplan. Garnelen machen dabei einen Marktanteil von rund zehn Prozent aus – so die aktuellen Zahlen des Fisch-Informationszentrums in Hamburg. Doch die meisten Garnelen, die in den Supermarktregalen angeboten werden, stammen aus Zuchtanlagen außerhalb Europas, meist sind sie in Asien. Ob die Tiere artgerecht gehalten wurden, können Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nachvollziehen. Das Forschungsprojekt ShrimpWiz, das am Bremerhavener Alfred-Wegner-Institut (AWI) angesiedelt ist, will das ändern – und zwar mit Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI).

Heimische Garnelenzucht mit artgerechter Haltung als Ziel

Dr. Stephan Ende koordiniert das Projekt am AWI und erklärt, warum die herkömmliche Garnelenzucht problematisch ist: In konventionellen Aquakulturen müssen die Garnelen regelmäßig aus dem Wasser geholt werden, um sie zu messen und zu wiegen. Für die Tiere bedeutet das bei jeder händischen Entnahme hohen Stress, der bis zum Tod führen kann: „50 Prozent der Tiere in der herkömmlichen Aufzucht sterben, damit haben Garnelen eine besonders hohe Mortalitätsrate.“ 99 Prozent der Garnelen weltweit werden in Teichen gezüchtet. „Aufgrund der starken Trübung des Wassers kann man überhaupt nicht sagen, was darin passiert“, sagt Ende. „Es ist praktisch unmöglich, Stresssymptome oder sogar kranke Tiere selbst bei optimalen Lichtverhältnissen in den Zuchtanlagen zu erkennen.“

Genau das könnte künftig mithilfe des vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geförderten Projekts ShrimpWiz der Vergangenheit angehören. Zusammen mit dem Unternehmen Oceanloop in Schleswig-Holstein, einem Pionier in der europäischen Indoor-Garnelenzucht, forschen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Bremerhavener AWI an einem System, das mehr Tierwohl in der heimischen Garnelenzucht verspricht. Ihr Ziel ist es, eine artgerechte, landbasierte Garnelenzucht in Deutschland aufzubauen, die gleichzeitig wirtschaftlich rentabel ist. Mit einem entsprechenden Label versehen hätten Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit zu wählen, aus welcher Zucht sie ihre Garnelen kaufen. Noch ist die Produktion in Europa ein Nischenmarkt.

Dr. Ende: „Garnelenzucht auf ein neues Level heben“

Das Herzstück des vom AWI geleiteten Projekts ist eine Bilderkennungssoftware, die mithilfe von KI-Technologie die Anzahl der Garnelen erfasst. „Mit unserem entwickelten System sind wir in der Lage, die landbasierte Garnelenzucht auf ein neues Level zu heben“, betont Stephan Ende. „Dank der bildverarbeitenden KI können wir die Tiere nun sehen und müssen sie nicht mehr händisch entnehmen.“ Tatsächlich brauchen die Forschenden neben der Software nicht mehr als ein Smartphone, das über der Wasseroberfläche installiert wird und die Garnelen im Minutentakt fotografiert. Diese Echtzeit-Daten werden automatisch an einen lokalen Server gesendet. „Hier zählen die Algorithmen jede einzelne Garnele auf jedem Bild und messen ihre Länge“, erklärt er.

Was so einfach klingt, hat die Projektbeteiligten viel Arbeit gekostet. Denn die ersten Versuche endeten eher mit Verwirrung als mit Optimierung: Die Berechnungen der ersten KI-Modelle ergaben deutlich mehr Garnelen als tatsächlich zu sehen waren. „Anders als beim menschlichen Auge lag die Schwierigkeit für die KI darin, zu erkennen, wie viele Individuen zu sehen waren, wenn die Tiere eng beieinander waren oder übereinander lagen.“ Es musste ein Modell gefunden werden, das die Überlappungen zählen kann. Das ist dem Team inzwischen gelungen.

Klarwassertechnologie bedeutet weniger Stress für die Tiere

Und das System kann noch mehr: Durch die Kombination aus hochauflösender Bildqualität und KI-basierter Software ist es in der Lage, sogar optische Anzeichen von Stress bei den Tieren zu erkennen. Ein erster Prototyp wurde in der Forschungs- und Entwicklungsfarm beim Projektpartner Oceanloop im Kreis Rendsburg-Eckernförde getestet, der auf eine sogenannte Klarwassertechnologie setzt. Im Gegensatz zu konventionellen Zuchtanlagen mit trübem Wasser, die eine optische Überwachung quasi unmöglich macht, bietet klares Wasser ideale Bedingungen für die KI-gestützte Überwachung. Es ist für die Fachleute der Schlüssel für mehr Tierschutz in der Aquakultur.

Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bremerhaven sind die Erkenntnisse ihrer Forschung ein echter Durchbruch. Denn so können wichtige Parameter in der Garnelenproduktion überwacht werden, ohne die Tiere zu stören. Wachstum, Futterverwertung und Zustand können nun mithilfe der KI-Technologie erfasst werden. „Das erleichtert den Arbeitsalltag der Farmerinnen und Farmer sehr“, sagt Stephan Ende. „Sie können die Garnelen nun genauer füttern, weil sie ihre Biomasse exakter bestimmen können. Das ist wirtschaftlicher für die Anlagenbetreiber, bedeutet weniger Stress für die Garnelen und verbessert ungemein das Tierwohl.“

Patentanmeldung ist geplant

Ziel ist die Entwicklung eines marktreifen Programms für die landbasierte Garnelenzucht. „Diese Software soll alle erforderlichen Informationen in einer einzigen Aufnahme erfassen können – von der Biomasse über Stresslevel bis hin zu möglichen Krankheiten“, sagt Ende. Damit sehen die Forschenden nicht nur einen Weg, die Bedingungen für die Tiere zu verbessern, sondern auch die Produktion effizienter zu machen. Die Technologie könne die Digitalisierung der Indoor-Garnelenzucht vorantreiben, so Ende. Das sei notwendig, um das heutige Preisniveau des Einzelhandels zu erreichen und gleichzeitig eine nachhaltigere Zucht zu gewährleisten.

Bislang macht die landbasierte Garnelenzucht, in der das System zum Einsatz kommen könnte, weltweit gerade einmal ein Prozent aus. „Aber in Europa sind die landbasierten Farmen im Kommen“, unterstreicht Stephan Ende.

Erst kürzlich gab es von der Deutschen Innovationspartnerschaft Agrar (DIP) eine neue Förderung für das Projekt. Damit wollen die Forschenden die Software weiterentwickeln und zum Patent anmelden – so könnten schon bald die ersten KI-überwachten Garnelen in den Supermarktregalen zu finden sein.

Bildmaterial

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Pressekontakt:

Dr. Stephan Ende, Aquakulturforschung, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum
für Polar- und Meeresforschung, Tel: +49 471 4831-2813, E-Mail: stephan.ende@awi.de

Bildmaterial:      

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