15.08.2025
Autor: BIS Wirtschaftsförderung Bremerhaven
„Die Generation der Boomer hat die Aufgabe, euch, die Generation Z, zu integrieren und die Unternehmen fit dafür zu machen, dass ihr gern dort arbeitet“, begrüßt BIS-Geschäftsführer Nils Schnorrenberger am Morgen die Auszubildenden, Studierenden und jungen Arbeitnehmenden. Sie kommen aus unterschiedlichen Branchen, von der Logistik über die Lebensmittelindustrie bis zum Handwerk. „Wir wollen miteinander reden statt übereinander“, sagt Schnorrenberger, „Und dabei heute auch ein wenig die Atmosphäre der ‚Sail‘ genießen.“
Der Titel der Veranstaltung lautet „Leinen los für neue Perspektiven – Dialog der Generationen zur Arbeitswelt von morgen“. Das Ziel: gegenseitiges Verständnis fördern. „Die Frage, wie Nachwuchskräfte gewonnen werden können, wird seitens der Unternehmen immer wieder an uns herangetragen“, erläutert Nils Schnorrenberger den Hintergrund des besonderen Netzwerktreffens. „Diejenigen sind im Wettbewerbsvorteil, die auf die Erwartungen der jungen Generationen reagieren. Dabei wollen wir als Wirtschaftsförderungsgesellschaft unterstützen.“ Fach- und Führungskräfte sollen im Laufe des Tages direkt von der Generation Z Anregungen erhalten, was Unternehmen in den Augen der jungen Menschen zu attraktiven Arbeitgebern macht.
Renommierter Jugendforscher leitet Workshops an Bord
Um das zu erarbeiten, sind diese schon am Morgen an Bord, genau wie Dr. Kilian Hampel. Der Sozial- und Jugendforscher aus Kempten im Allgäu ist promovierter Politologe und einer der drei Autoren der Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025 mit Generationenvergleich“.
Hampel, selbst erst 30 Jahre alt, führt regelmäßig Workshops und Schulungen durch. Dabei erarbeitet er mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen oder mit Personalverantwortlichen und Führungskräften Lösungsansätze zum Thema „Zukunft der Arbeit“. Auch auf der „MS KOI“ führt er durch das Programm. Es besteht aus Workshops und Gruppenarbeiten – den „Gallery Walks“ und dem „Innovationssprint“ –, die aufeinander aufbauen und am Ende in Handlungsempfehlungen münden.
„Das Veranstaltungsformat hier in Bremerhaven ist außergewöhnlich“, erklärt Kilian Hampel, „denn es bringt die jüngere und die ältere Generation an einen Tisch und lässt sie gemeinsam diskutieren.“ Das sei auch in seiner Arbeit zur Jugendforschung nicht alltäglich.
Nachwuchskräfte und Fachkräftemangel fordern die Arbeitswelt heraus
Das Thema des Tages steht seit einigen Jahren besonders im Fokus der gesellschaftlichen Debatte. Es geht um die Werte und Arbeitseinstellung der sogenannte Generation Z, also all jener, die zwischen 1995 und 2009 geboren wurden. Sie sind heute etwa zwischen 15 und 29 Jahre alt und im digitalen Zeitalter von Smartphones und sozialen Netzwerken aufgewachsen. Aktuell treten viele von ihnen in den Arbeitsmarkt ein oder haben bereits einige Jahre Berufserfahrung gesammelt.
Hartnäckig halten sich in der öffentlichen Debatte Annahmen – befeuert etwa durch provokante Aussagen und Bücher zum Thema –, dass diese Generation weniger arbeitswillig und schwer zu motivieren sei. Zudem fordere sie hohe Gehälter, viel Flexibilität und Freizeit. Keine einfache Situation also für Unternehmen in Bremerhaven wie in ganz Deutschland. Angesichts des demographischen Wandels haben sie ohnehin mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. Und zu allem Überfluss auch noch mit zu anspruchsvollem Nachwuchs?
Was ihnen abseits aller Klischees und Vorurteile wirklich wichtig ist, sollen die jungen Menschen auf der „KOI“ erarbeiten, bevor die Fach- und Führungskräfte das Schiff betreten und der gemeinsame Tag auf der Weser beginnt. Drei Aspekte seien für die Unternehmen von besonderer Bedeutung, weiß Kilian Hampel: die Gewinnung von Nachwuchs, die Bindung an eine Firma oder Organisation sowie insgesamt die Bedingungen der zukünftigen Arbeitswelt.
Die Erwartungen der Generation Z – längst nicht immer einheitlich
Die Aufgabe an die Vertreter der Generation Z an Bord lautet daher: Ausarbeiten, was sie sich zu diesen Themen wünschen. Für Justus Sennert gehört vor allem die Möglichkeit zur Weiterbildung dazu. Der 21-Jährige befindet sich im letzten Lehrjahr zum Elektromaschinenbauer. Er kann sich vorstellen, noch einen Meister-Ausbildung anzuschließen, die in seinem Unternehmen möglich ist. „Ich kenne viele Jüngere, die sich weiterbilden wollen“, sagt der junge Mann aus Mulsum. „Wenn das unterstützt wird, ist das gut!“
Seine Kollegin Jana Meseke bestätigt das. Die 20-Jährige absolviert im selben Betrieb, der E+A Elektrotechnik und Aggregatebau Betriebsgesellschaft mbH, eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement. Optional könnte sie eine Zusatzausbildung als Europakauffrau integrieren und dabei einige Wochen im Ausland verbringen – eine Möglichkeit, die sie sehr schätzt. Darüber hinaus sind beide sich einig: Was sie an einen Betrieb bindet, ist ein gutes Miteinander, über Probleme sprechen zu können – und im besten Fall mit den Kolleginnen und Kollegen auf einer Wellenlänge sein.
Zwar stehen nach kurzer Zeit auf vielen Flipcharts unter Deck Wünsche wie Work-Life Balance, Mitarbeiter-Benefits und eine Vier-Tage-Woche. Doch längst nicht in allen Punkten sind sich die jungen Menschen einig. Tomke Usbeck etwa ist gegen die Einführung einer Vier-Tage-Woche. „Das würde zum Beispiel auch die Ausbildung verlängern“, sagt der Auszubildende zum Anlagenmechaniker. „Irgendwann muss die Arbeit ja gemacht werden.“ Viel wichtiger ist dem 20-Jährigen eine gute Arbeitsatmosphäre und gegenseitige Wertschätzung: „Natürlich ist mein Chef der Chef und ich habe zu tun, was er sagt – aber gegenseitiger Respekt sollte vorhanden sein.“
Wertschätzung und Weiterbildung waren auch Chiara Blume bei der Wahl ihres Ausbildungsplatzes wichtig. Beides hat die 22-Jährige während ihrer Ausbildung zur Bankkauffrau bei der Weser-Elbe Sparkasse erlebt. „Wir Azubis haben in einer Projektarbeit Ideen für Veränderung im Unternehmen entwickelt. Die sind nicht in der Schublade verschwunden, sondern wurden zu 90 Prozent umgesetzt“, freut sich die Bremerhavenerin. Ihren Wunsch, an die Ausbildung noch ein berufsbegleitendes Studium anzuschließen, unterstütze ihr Arbeitgeber nun ebenfalls.
Studienergebnisse widerlegen Klischees, Kommunikation enorm wichtig
Was der Generation Z – auch „GenZ“ oder „Zoomer“ genannt – laut Studienergebnissen noch besonders wichtig ist, erläutert Experte Kilian Hampel am Nachmittag, als sich die „KOI“ auch mit Fach- und Führungskräften, Personalverantwortlichen und Geschäftsführer:innen von Bremerhavener Unternehmen gefüllt hat. Während das Schiff Kurs auf die Außenweser nimmt, gibt der Sozialforscher Einblicke in die Erkenntnisse der aktuellen Studie „Jugend in Deutschland“. Im Mai 2025 ist sie zum achten Mal erschienen. Zum zweiten Mal wurden auch 30 bis 49-Jährige sowie 50 bis 69-Jährige befragt und ihre Antworten mit denen der Generation Z verglichen.
Die Resultate mögen überraschen: Mitunter zeigen sich kaum Differenzen. Über alle Altersgruppen hinweg sind den über 6000 Befragten Werte und Tugenden wie Familie, Gesundheit, Sicherheit, Freiheit und Gerechtigkeit, aber auch Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit und Hilfsbereitschaft besonders wichtig.
Kilian Hampel räumt aber ein, dass es bei der Definition und Auslegung der einzelnen Begriffe durchaus Unterschiede zwischen den Generationen geben könne. Und damit sei es eine Frage der Kommunikation: Jung und Alt müssen sich klarer darüber verständigen, was man voneinander erwarte.
Ist Kommunikation also der Schlüssel? Dass sie eine zentrale Rolle spielt, wird in den Diskussionen und Gesprächen deutlich. „Das ist sehr spannend, denn die Generation Z ist ja mit ganz anderen Kommunikationsmöglichkeiten aufgewachsen“, sagt Nadja Niestädt, selbst Jahrgang 1971 und damit Vertreterin der sogenannten Generation X. „Am Ende ist das, was zählt, das persönliche Gespräch.“ Azubi Tomke Usbeck sieht ebenfalls Bedarf an mehr Kommunikation: „Ich finde, dass es meiner Generation manchmal an Informationen über das fehlt, was sie fordert. Aber es mangelt auch an Beratung seitens der Älteren.“
Mit Spaß und Sinn zu mehr Work-Life-Balance
Auch zu einem weiteren, viel diskutierten Thema während der Fahrt hat der Auszubildende der SWB AG im zweiten Lehrjahr eine klare Meinung: Zur Work-Life-Balance. „Ich möchte Spaß bei der Arbeit haben“, sagt Usbeck. Ist der vorhanden, erübrige sich auch die Forderung nach mehr Work-Life-Balance. „Wenn der Job Spaß macht – was muss man dann ausbalancen, also ausgleichen?“
Carsten Gernhoff, Geschäftsführer und Inhaber der E+A, nutzt die Veranstaltung, um herauszufinden, was genau die junge Generation unter Work-Life-Balance versteht. „Mir ging es konkret um ‚Life‘ und ‚Balance‘“, sagt der Chef von 98 Mitarbeitenden, von denen 18 Auszubildende sind und gut 20 Weitere ebenfalls unter 30 Jahre alt. „Ich habe verstanden, dass das sehr individuell ist.“ So habe ihn zwar überrascht, dass sich auch einige Auszubildende über flexible Arbeitszeiten freuen würden – durchaus, um morgens früher anzufangen, um nach der Arbeit mehr vom Tag zu haben. „Diese Idee nehme ich aus der Veranstaltung mit. Wenn es den Auszubildenden wichtig ist, und sich umsetzen lässt – warum nicht?“ Andersherum sehe er aber auch die jungen Menschen in der Pflicht, nicht nur zu erwarten, dass sie alles bekämen, sondern dafür auch Leistung zu zeigen.
Innovative Wege in Sachen Arbeitszeit und -ort geht Dennis Vogt seit Kurzem. Der Bremerhavener Jungunternehmer hat unlängst den ersten Mitarbeiter eingestellt. Von wo aus der 26-Jährige arbeite, sei diesem überlassen. Ob im Homeoffice oder auf Reisen – Hauptsache die Arbeit werde gemacht. Auch die Arbeitszeit sei vielmehr projektbezogen als eine feste Stundenzahl pro Tag. Da seine Filmproduktionsfirma und das Team perspektivisch wachsen sollen, verfolgt Vogt die Diskussionen an Bord interessiert. „In meiner digitalen, kreativen Branche können einige Erwartungen der jungen Generation recht leicht erfüllt werden“, sagt er. „Als 32-Jähriger bin ich nah dran an den ganz Jungen, verstehe aber beide Welten.“
Differenzen zwischen Generationen: kein neues Phänomen
Unterschiedliche Welten verbinden, Brücken bauen – genau das bezweckt Kilian Hampel mit seinen Workshops. Sein Vortrag bindet das heterogene Publikum anhand kurzer Umfragen mit ein und fasst die Ergebnisse der Trendstudie zusammen. So sei Generation Z zwar von Krisen, Schulden und psychischen Belastungen geprägt, schaue aber insgesamt dennoch optimistisch in die Zukunft. Er stellt auch klar: „Man muss diese Generationeneinteilung vorsichtig benutzen, die Übergänge sind fließend.“ Altersstereotype seien nichts Neues oder auf das Verhältnis zwischen der GenZ und den Babyboomern beschränkt. Es habe schon zu Zeiten von Sokrates Differenzen und Vorurteile zwischen Jüngeren und Älteren gegeben.
Der Generationenkonflikt – kein neues Phänomen also, und vielleicht auch mitunter übertrieben dargestellt? Die Auszubildenden Jana Meseke und Justus Sennert sind sich einig: Konflikte auf der Arbeit kann es auch innerhalb derselben Generation geben. Sie sind nicht zwangsläufig ein Thema zwischen Jung und Alt.
„Das Feedback der jungen Leute annehmen“
Als die „KOI“ wieder in den Fischereihafen einläuft, ist Jugendforscher Kilian Hampel zufrieden. „Der Austausch war unglaublich wertvoll. Ich habe auch noch nie einen Workshop auf einem Schiff gegeben – eine tolle Erfahrung.“
Mit von Bord nehmen viele eine ganze Reihe Erkenntnisse und Ideen. „Es ist gut, dass es diese Veranstaltung gibt“, resümiert Geschäftsführer Carsten Gernhoff. „Wir als Unternehmer brauchen das Feedback der jungen Leute und müssen bereit sein, es anzunehmen. Man wird es nie allen recht machen können – aber man muss alle mit ins Boot holen.“ Beim Generationendialog auf der „KOI“ hat das jedenfalls funktioniert.