06.08.2023
Autor: Helmut Stapel
Vom „Kraftwerk Nordsee“ ist die Rede, wenn über den Energieausbau und die Energiewende für ein unabhängiges Deutschland gesprochen wird. Die Zahl der Windräder auf dem Wasser soll massiv erhöht werden. Doch um den Strom möglichst verlustfrei an Land zu kriegen, sind leistungsfähige Umspann-Stationen notwendig.
Die Bremerhavener Lloyd-Werft ist dabei, sich dafür als einziger Standort in Deutschland zu positionieren. „Wir haben das Know-How, die Logistik, die Produktionsstätten, den Bauplatz und den Zugang zur Nordsee – besser geht es nicht“, sagt Thorsten Rönner, seit Sommer 2022 Geschäftsführer der Lloyd-Werft. Dabei greift der Maschinenbau-Ingenieur nicht nur auf das bestehende Potenzial zurück, sondern auch auf seine Erfahrungen aus den Vorjahren in Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Weserwind. Dort wurde im Bremerhavener Fischereihafen bereits eine Umspann-Station konstruiert und gebaut. Weitere Erfahrungen gibt es in der Rönner-Gruppe mit dem Bau der Umspannstation für den Nordsee-Windpark Nordergründe durch die Firma BVT.
„Der Bedarf für Umspannstationen ist riesig. Es gibt in ganz Europa aber bisher nur zwei Standorte: einen in Frankreich und einen in Spanien“, erklärt Rönner. Ohne die entsprechende Technik für die Offshore-Windparks lässt sich der erzeugte Strom von der deutschen Nordsee aber nicht an Land bringen. „Was liegt da näher, als diese Konverter im eigenen Land zu bauen?“ Dafür hat er praktisch Eins und Eins zusammengezählt. Thorsten Rönner ist ebenfalls in der Geschäftsführung der Heinrich Rönner Gruppe. Die Kompetenzen und Kapazitäten der einzelnen Standorte ergeben wie an einer Perlenkette am Ende das Gesamtbild.
Zusammenarbeit ist gefragt
„In Bremen werden einzelne Stahl-Sektionen produziert und über die Weser auf Schwimm-Pontons hergebracht. Im Bremerhavener Fischereihafen fügen wir die Sektionen zu Großblöcken zusammen. Das haben wir zum Beispiel für Schiffsverlängerungen auf der Lloyd-Werft auch schon in der Vergangenheit getan“, schildert Rönner seinen Plan. „Die Fischereihafen-Schleuse wäre ohnehin zu klein, um die gesamte Umspann-Station raus auf die Nordsee zu transportieren. Aber hier von der Lloyd-Werft aus – wo die Endmontage stattfindet – geht das durch die Kaiserschleuse bestens.“
Die Vision des Unternehmers ist längst keine Papierskizze mehr. Es gab eine Videokonferenz mit Energieminister Robert Habeck, Austausch mit den maßgeblichen Netzbetreibern, zwei familiengeführte Großunternehmen aus der Region sind mit ihrer Erfahrung und Finanzkraft mit im Boot. Das erste Konzept für den 2-Gigawatt-Konverter wurde erstellt und mit den potenziellen Netzbetreibern abgestimmt.
„Wir reden hier über High-Tech-Konstruktionen von 100 Meter Länge und bis zu 70 Meter Breite. Die Stationen stehen auf Metall-Konstruktionen, werden auf dem Grund von Nord- oder Ostsee verankert“, erklärt Thorsten Rönner. Im Inneren wird der erzeugte Strom der Windräder von Wechselstrom in Gleichstrom umgewandelt. „Der Stromverlust auf dem Weg bis zum Land durch das Kabel ist sonst zu groß“, so Rönner. Neben der technischen Ausstattung der Stationen, die über Partner aus dem Bereich der Hochspannungstechnik gewährleistet wäre, stehen vor allem Stahlbauarbeiten an.
„Das Gewicht einer solchen Station geht in Richtung 28.000 Tonnen. Das ist eine Menge Metall und eine Menge Arbeit“, sagt Rönner. Die offiziell geschätzten Kosten für den Bau einer einzigen Umspannstation liegen bei rund 2500 Millionen Euro. Beabsichtigt ist, die Konverter in Bremerhaven soweit wie möglich auszurüsten, sie dann auf die Nord- oder Ostsee zu transportieren und dort final in Betrieb zu nehmen. Ab 2029 werden laut Thorsten Rönner zwei der Anlagen jährlich benötigt.
Der Schritt in die Zukunft
Der nächste Schritt steht für die Lloyd-Werft bereits fest. „Wir warten jetzt auf die Vor-Qualifizierung durch die Netzbetreiber für unser Konzept. Damit wären wir dann offiziell das erste Unternehmen in Deutschland, das in den elitären Kreis der Konverter-Produzenten aufgenommen ist.“ Sobald die ersten Ausschreibungen für die Konverter auf dem Markt sind, wird das Unternehmen sich daran mit einem Angebot beteiligen.
„Wir hoffen natürlich, dass wir dann mit unserer Kalkulation attraktiv sind. Aktuell ist die Nachfrage nach Konvertern größer als das Angebot“, erzählt Thorsten Rönner. „Wenn wir es schaffen, die Lloyd-Werft und das Bundesland Bremen als Standort für den Bau von Offshore-Konvertern zu etablieren, wäre das nicht nur großartig – das wäre ein immenser Gewinn für die gesamte Region und das internationale Bild der hier vorhandenen Kompetenz.“