18.01.2021
Autor: Wolfgang Heumer
Trockenfisch ist begehrt - nicht nur als „Bacalao“, zu dem gesalzener Kabeljau in kalten Regionen wie Grönland und Norwegen von Hand an der frischen Luft als Spezialität für die mediterrane Küche verarbeitet wird. „In Deutschland ist es ein bei Katzen- und Hundefreunden beliebter Snack für ihre vierbeinigen Lieblinge“, sagt der Geschäftsführer des Bremerhavener Fisch-Großhändlers Lübbert, Sven Braasch. „In anderen Regionen der Welt werden getrocknete Fischhäppchen abends vor dem Fernseher geknabbert wie bei uns Chips und Salzstangen.“ Als Lieferant für Industrie und Handel hat Lübbert industriell gefertigte Trockenfisch-Produkte im Sortiment. Aber eines stört Braasch: „Wir beziehen die Ware aus Asien und Osteuropa.“ Das soll sich ändern. Gemeinsam mit der Hochschule Bremerhaven wollen Braasch und sein Team ein eigenes Produktionsverfahren entwickeln lassen. Mit Steinzeug-Hersteller NordCeram, der ebenfalls im Bremerhavener Fischereihafen ansässig ist, haben sie einen ungewöhnlichen Partner an ihrer Seite: Aus dessen Brennöfen soll die notwendige Wärme für den Trocknungsprozess kommen.
Versuche mit Sprotten im Ofen
Zurzeit schaffen Lisa Weiß und andere wissenschaftlich-technische Mitarbeitende im Labor für Lebensmitteltechnologie der Hochschule Bremerhaven die ersten Grundlagen. Geduldig verfolgen sie, wie Dutzende Sprotten im Heißluftofen trocknen. Akribisch messen sie alle paar Minuten die Restfeuchte in den Fischen, die im Ofen herrschende Temperatur und die Feuchtigkeit in der Abluft.
„Wir müssen erst einmal die notwendigen Parameter für den Trocknungsprozess ermitteln, um im nächsten Schritt erste Konzepte für eine mögliche Anlage zu entwickeln“, sagt der Verfahrenstechniker Professor Axel Gottschalk, der gemeinsam mit seiner Kollegin aus der Lebensmitteltechnologie, Professorin Frederike Reimold, das Forschungsprojekt „Trocknfish“ wissenschaftlich begleitet. Fische im Ganzen oder als Abschnitt zu trocknen, ist alles andere als trivial: „Die Beschaffenheit des Fleisches, die Dicke der Stücke, die Temperatur - all das spielt bei dem Verfahren eine wichtige Rolle“, sagt Gottschalk. „Wir möchten die Zusammenhänge verstehen, damit am Ende wirklich haltbarer Trockenfisch und nicht Kohle oder eine halbfeuchte Masse dabei herauskommt.“
Trockenfisch-Produktion gleich neben der Fliesenfertigung
Die notwendige Wärme soll später einmal aus dem Warmluftstrom der Brennöfen in der Keramikproduktion kommen. Dass zwei so grundverschiedene Firmen wie der Fliesenhersteller NordCeram und der Fischimporteur Lübbert für das Vorhaben zusammenfanden, ist dem Technologietransfer-Beauftragten der Hochschule Bremerhaven, Benjamin Küther, zu verdanken. Er hatte von den Überlegungen des Fischhändlers gehört und wusste um die Interessen des Keramikunternehmens, möglichst viel der Abwärme aus der Produktionsstraße zu verwerten. Für den Fall, dass das Forschungsvorhaben zu einem umsetzbaren Verfahren führt, hat Küther bereits ein konkretes Bild vor Augen: „Die Trockenfisch-Produktion könnte auf einem freien Teil des Betriebsgeländes von NordCeram untergebracht werden.“
„Wir möchten Premiumprodukt auf den Markt bringen“
Bis dahin sind allerdings noch etliche Fragen ergänzend zu den Fisch-Untersuchungen im Labor zu klären. Gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Nils Hartmann macht Gottschalk eine Bestandsaufnahme der Rahmenbedingungen in der Fliesenproduktion. Dazu zählen nicht nur die Temperatur und die noch nutzbare Restwärme aus dem Rauchgas der Brennöfen, sondern auch die Frage, wo genau und wie die Wärmeübertragung technisch sinnvoll realisiert werden kann. Schließlich muss das Endprodukt nicht nur den strengen lebensmittelrechtlichen Bestimmungen in Deutschland, sondern auch den Ansprüchen des Fischexperten Braasch genügen: „Wir möchten ein absolutes Premiumprodukt auf den Markt bringen.“
Das war ein Grund für seine Firma, eine eigene Herstellungslinie anzustreben: „Bei dem importierten Trockenfisch für die Futtermittelproduktion wissen wir nur, dass die vorgeschriebenen Standards eingehalten werden.“ Aber welche nicht zu deklarierenden Zusatzstoffe enthalten sein könnten, bleibt im Dunkeln. Für seine Zukunftspläne will Braasch das nicht akzeptieren: Neben Tierfutter-Produkten im Premium-Bereich kann er sich auch die Herstellung von Snacks für den menschlichen Verzehr vorstellen. „Das schmeckt wirklich lecker“, weiß er aus dem Selbstversuch. In anderen Regionen der Welt sind solche Häppchen längst weit verbreitet.
Künftig ein Bremerhavener Exportschlager?
Bis die Deutschen entsprechenden Appetit entwickeln, darf aber durchaus noch Zeit vergehen. Nachdem im derzeit ersten Abschnitt des Projekts die grundsätzliche Machbarkeit nachgewiesen wurde, muss noch das entsprechende Verfahren entwickelt und laut Gottschalk „im Garagen-Maßstab“ erprobt werden. In vielleicht fünf Jahren kann dann die Trockenfisch-Produktion gleich neben der Fliesenfertigung Realität werden. Aus seiner langjährigen Erfahrung in der Verfahrensentwicklung ist Gottschalk überzeugt, dass das Vorhaben gelingen wird. Am Ende könnte es ein Bremerhavener Exportschlager werden: „Wir wollen die Anlage in Container unterbringen, die auch neben anderen Wärmequellen wie beispielsweise Biogas-Kraftwerken aufgestellt werden können“, lässt er sich in seine Pläne schauen.
Pressekontakt:
Benjamin Küther, Hochschule Bremerhaven, Tel. +49 471 48 23 367, E-Mail: bkuether@hs-bremerhaven.de
Sven Braasch, Geschäftsführer, Friedrich Wilhelm Lübbert GmbH & Co. KG., Tel. +49 471 97 99 174, E-Mail: braasch@luebbert.de
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